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Bericht aus dem "irland journal",
Ausgabe XXI, 3.10.


www.irland-journal.de

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In einer Zeit, als die Menschen noch mit Pfeil und Bogen jagten, entstand eine Hunderasse, deren Geschwindigkeit nur noch vom Geparden übertroffen wurde: der Greyhound.

Seit über 6000 Jahren gibt es Windhunde, gezüchtet als „Langstreckenwaffe“ der Jäger, die das Wild dort erreichte, wo kein Pfeil mehr hinkam, schneller und wendiger als ein Jäger zu Pferd. Sie gehörten zur Familie, waren hoch geschätzte Gefährten und begehrte Statussymbole. Hunde, die dem heutigen Greyhound zum Verwechseln ähnlich sehen, finden sich auf einer Vase, die im Iran gefunden wurde, ab dem 9. Jahrhundert n.Chr. sind sie auf Bildern und in der Literatur Irlands, Englands und Schottlands dokumentiert. 1016 erließ der damals in England regierende dänische König Knut (Canute) seine „Forest Laws“, die unter anderem bestimmten, dass nur Adlige mit Greyhounds jagen und diese besitzen durften. Zuwiderhandelnde aus dem gemeinen Volk wurden mit dem Tode bestraft.
Von einigen dieser „adligen“ Hunde wissen wir heute noch: Da war zum Beispiel Eos, die Greyhound-Dame, die Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha nach England begleitete, als er Königin Victoria heiratete. Genau genommen waren die geliebten Windhunde ichs des Großen keine Greyhounds, aber seine Windspiele heißen auf Englisch „Italian Greyhounds“. Die Lieblinge des Alten Fritz wurden im Park von Sanssouci bestattet – bis heute kann man dort ihre Grabsteine sehen. Der preußische König hatte in seinem Testament verfügt, dass er nicht in einem Sarkophag an der Seite seiner Familienangehörigen beigesetzt zu werden wünschte, sondern in einer bescheidenen Gruft, bei seinen Hunden, die bereits zu Lebzeiten das Bett mit ihm hatten teilen dürfen.

Soweit also die große Vergangenheit einer Hunderasse, deren Wertschätzung im gleichen Maße abnahm wie der Stellenwert des Adels. Faszinierend blieb aber die Geschwindigkeit: Die Muskelpakete katapultieren den Greyhound in zwei, drei Sprüngen auf die Höchstgeschwindigkeit von über 70 km/h, in den Kurven verringert sich das Tempo nicht, denn die Gelenke dieser Hunde können Fliehkräfte ausgleichen, so dass sie sich nicht in die Kurve legen und langsamer werden müssen. Der Herzschlag eines ruhenden Greyhounds ist langsam, hat – und das ist normal – Pausen, die bei einer anderen Hunderasse Anlass zur Sorge wären. Aber dieses niedrige Grundniveau ist nötig, um beim Sprint das Herz nicht zu überlasten. Alle diese einzigartigen Fähigkeiten setzen Greyhounds heute nicht mehr auf der Jagd, sondern auf der Rennbahn ein. Und da beginnt ein Kreislauf, der offensichtlich nur auf längere Sicht gestoppt werden kann.

Hunderennen sind in Irland, England, den USA und Australien ein Freizeitspaß: die „Rennpferde des kleinen Mannes“ laufen abends, auf den Rennbahnen wird gegessen, getrunken und – gewettet. Wie überall, wo es um Geld – mitunter viel Geld – geht, ist auch die Gier im Spiel. Um einen perfekten Hund im Rennen zu haben, werden Tausende von Greyhoundwelpen gezüchtet, von denen nur ein ganz geringer Prozentsatz das Zeug zum Champion hat: die richtige Kombination aus Jagdtrieb und Durchsetzungsvermögen im Feld, und natürlich die perfekten physischen Voraussetzungen. Dann hat der „Owner“ einen Hund, der ihm Millionen durch Renngewinne und Zucht einbringt, aber die Züchter haben auch eine Unmenge nicht benötigter, „übriger“ Hunde. Irlands Greyhound-Industrie produziert jedes Jahr zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend neue Greyhounds, von denen nur ein- bis zweitausend in Rennbetrieb oder Zucht eingesetzt werden.

Der große Rest wird nicht gebraucht. Am einfachsten wäre es, die Hunde, die zu lieb, zu langsam oder zu alt fürs Rennen sind, als ganz normale Familienhunde an ganz normale Menschen zu vermitteln, denn dafür eignen sich die Greyhounds ausgesprochen gut. Sie sind verschmust und freundlich zu allen Menschen (als Wachhund eher eine Fehlbesetzung), sie wollen gefallen und alles richtig machen, sie wälzen sich nicht in unappetitlichen Dingen, und – weil sie kein Unterhaut-Fettgewebe haben – sie riechen selbst mit nassem Fell nicht „nach Hund“. Sie gehen prima an der Leine – und das ist auch gut so, denn ableinen sollte man sie nur auf eingezäuntem Gelände. Und große Ansprüche stellen diese Hunde auch nicht, sie wollen: weich liegen, viele Streicheleinheiten und nicht angebrüllt werden. Dafür bekommt man dann einen Hund mit Manieren, die wirklich zeigen, dass diese Rasse seit 5000 Jahren bei Königs zu Hause war. Wie gesagt: die nicht gebrauchten Hunde in Irland zu vermitteln, wäre eine einfache und elegante Lösung. Leider funktioniert das gar nicht, denn die Hunde haben in Irland den Ruf eines Killers. Einerseits stimmt das, wenn man das aus der Position eines Hasen sieht. Aus menschlicher Sicht ist das schlicht Quatsch. Der Weg dahin, dass die Iren Greyhounds als Haus- und Knuddeltiere halten, ist sicher noch lang – und es gibt immer wieder Hunde wie Heather.

Heather wurde 2004 im Co. Kerry gefunden. Man hatte wohl versucht, sie einzuschläfern, die Ohren waren abgeschnitten, damit der Besitzer nicht über die Ohrtätowierungen, die alle reinrassigen Greyhounds haben, herauszufinden war. Der Hund hatte wohl das Bewußtsein wieder erlangt und war orientierungslos über ein Feld gelaufen. Eine Tierschutzorganisation in Kerry, die sich vorrangig um Greyhounds kümmert, nahm den Hund auf und fand ein ganz besonderes neues Frauchen: Rona von der Greyhound Rescue in England. Heather ist heute ein fröhlicher, gesunder Hund, nur bei schlechtem Wetter muss sie eine Kopfbedeckung tragen, damit Kälte und Nässe nicht in ihre Ohren gelangen. Heather hat jetzt auch einen Job: Sie ist Botschafter der misshandelten und ausgesetzten Greyhounds; jedes Jahr ist sie auf der größten englischen Hundeausstellung, Cruft's Kennel Show, zu Gast.

And now for something completely different:

Dies ist ein Greyhound-Bus. Solche Busse fahren durch die USA. Sie verbinden weit auseinander liegende Städte.

Blättern Sie um, dann zeigen wir Ihnen ...

... auch einen Greyhound-Bus.

Der gehört der Tieroase Birkenschold e.V. und Ralf Peters fährt mit ihm am 18. September von Wagenfeld bei Osnabrück nach Kerry und holt dort bei Amanda Saunders Perdkins von der Kerry Greyhound Connection (KGC) 16 Greyhounds ab, die dann in Deutschland vermittelt werden. KGC war auch die Organisation, die 2004 Heather aufgenommen hat. Amanda betreut zur Zeit (also vor der Irlandfahrt der Tieroase) 45 Hunde, untergebracht sind diese Hunde entweder im irischen Südwesten oder bei Amandas Schwester Jill im englischen Norfolk. Im nächsten irland journal stellen wir die Saunders-Schwestern ausführlich vor.)

Ralf Peters betreibt seit mehr als zwölf Jahren die Tieroase (www.tieroase-birkenschold.de), in der Hunde, Katzen, Pferde, Schafe, Gänse, Enten und Hühner ein vorübergehendes Zuhause gefunden haben. Für manche Tiere, die nicht vermittelbar sind, ist der Bauernhof in Niedersachsen auch der Altersruhesitz. Von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen, ist die Vermittlungsbilanz durchaus erfolgreich: fast 1000 Hunde haben von hier aus ihre Menschen gefunden, auch durch Medienpräsenz: „Tiere suchen ein Zuhause“ ist eine WDR-Fernsehsendung, die seit Jahren Tierheimen und Tierschutzorganisationen ein Fenster in die große Öffentlichkeit bietet, eine Kuppelshow zwischen Mensch und Tier, sozusagen. Seit über zehn Jahren ist Ralf Peters dort Stammgast, meist mit Greyhounds. Auch einige Hunde aus dem jetzt anstehenden Transport werden wahrscheinlich dort vorgestellt. Die Vermittlung, sagt Ralf Peters, stehe absolut im Vordergrund. Einerseits, weil es für die Hunde am besten ist, wenn sie so früh wie möglich in ihre „eigene“ Familie kommen, andererseits ist die Unterbringung in der Tieroase auch ein Kostenfaktor: bei fünf Euro pro Tag werden die Kosten einer längeren Unterbringung durch die Vermittlungsgebühr nicht ausgeglichen. A propos Kosten: Auch die Transportfahrten sind Zuschussgeschäfte: Fährtickets, Sprit, dazu kommen aktuell noch die Kosten für den Umbau des gerade erworbenen Busses. Der hatte nämlich ursprünglich mal Sitze für 22 Passagiere, bietet aber jetzt Platz für die Einzelunterbringung von maximal16 Greyhounds. Transportfahrzeuge und -boxen für solche Tiertransporte müssen den Vorschriften entsprechen, denn in England wird bei der Ausreise von den „Hafenveterinären“ kontrolliert, ob die Stehhöhe und die Boxengröße ausreichend sind, ob die Belüftung ausreichend und genügend Futter und Wasser vorhanden ist.

All der Aufwand für 16 Hunde? Ist das nicht übertrieben? „Nein“, sagt Ralf Peters, „denn wir wollen dem einzelnen Tier helfen. Die bestehende Situation in Irland können und werden wir nicht ändern, das müssen die Iren schon selbst tun. Aber wir können der Masse ein Gesicht geben, und wir liefern durch unsere erfolgreichen Vermittlungen, durch die Fotos von Hunden in ihren neuen Familien, den irischen Tierschutzorganisationen Argumentationshilfen dafür, dass Greyhounds sehr wohl als Familienhunde vermittelt werden können.“ 40 bis 50 Hunde werden jedes Jahr von der Tieroase Birkenschold vermittelt. Das ist für die Kerry Greyhound Connection eine deutliche Entlastung, dadurch bekommen in Irland 40 bis 50 Hunde eine Überlebenschance.

Unterstützen kann man die Tieroase Birkenschold nicht nur, indem man einem der irischen Greyhounds ein Zuhause mit großer Couch und kleinen Leckereien bietet, genauso hilfreich sind Spenden (Tieroase Birkenschold für Tiere in Not e.V., Kreissparkasse Diepholz, BLZ 25651325,
Kontonummer 122759087) oder Patenschaften für „Langzeitinsassen“. Natürlich kann man auch gern Mitglied des Vereins werden.

Die Hunde, die demnächst aus Kerry hier ankommen, können auch schon vorab auf der Website der Tieroase angeschaut werden. Sie sind bereits kastriert, gechipt und geimpft.

Hilde Strauch


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