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Slough.
Der junge Galgorüde Slough kam im April 2001 aufgrund einer Rettungsaktion in Deutschland (!) zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zu uns.
Er war, wie alle befreiten Hunde aus der schlechten Haltung, sehr abgemagert und nicht im besten Gesundheitszustand. Sloughi, wie er damals hieß, war ca. 1 Jahr alt und wog mit seinem Schultermaß von bereits über 70 cm knappe 19 kg.
Er war nicht ohne, als ich ihn einfangen musste, wehrte er sich mit aller Kraft. Bis dahin hatte er mit seinen Wurfgeschwistern und der Mutter in einem Zimmer von ca. 11 qm gehaust, war niemals in seinem Leben draußen gewesen und kannte nichts...
Seine große Chance kam, als wir im Juni 2001 mit einigen Hunden, darunter seiner Mama "Paloma" beim WDR in Köln in der Sendung "Tiere suchen ein Zuhause" auftraten.
Seine Mutter, eine bildschöne Spanierin, bekam eine unglaubliche Resonanz. Bis spät in die Nacht klingelte das Telefon, auch dabei das zukünftige Frauchen von Slough.
Obwohl Paloma schon nach wenigen Tagen an eine andere Familie vermittelt war, kam sie, um nach einem anderen Hund zu schauen. Frauchen hatte eigentlich sehr konkrete Vorstellungen: Am liebsten cremefarben oder weiß, der Hund sollte nicht zu jung sein, da er auch mal einige Stunden alleine bleiben können sollte, aber auch nicht zu alt, damit sich beide leichter aneinander gewöhnen konnten. Das Geschlecht war nicht so wichtig, es konnte auch ein Rüde sein ..., aber eigentlich wollte sie am liebsten Paloma. Sie hatte sich am Bildschirm richtig verliebt...
Aber daraus wurde ja nun nichts... Sie schaute weiter und fragte nach Sloughi. Nein, bekam sie zur Antwort, das geht noch nicht. Der Hund kennt nichts, "kann" nichts, ist zwar freudig in seiner Hundegruppe, aber auch recht dominant und immer bei "Keilereien" dabei, mit Menschen ging bis vor wenigen Tagen gar nichts. Erst wenige Tage vorher war es erstmals gelungen, ihn kurz anzufassen - zu diesem Zeitpunkt war er drei Monate bei uns gewesen. Eine über ihm fliegende Schwalbe konnte ihn schon in Angst versetzen. An der Leine gehen bzw. ein Geschirr und eine Leine umgelegt zu bekommen, bedeutete für ihn Folter...
Das Frauchen war mit einigen Freunden angereist, sie hatte noch nie einen eigenen Hund gehabt, eigentlich sogar als Kind immer Angst vor Hunden gehabt: Konnte das gut gehen? Kann man zwei "Wackelkandidaten" zusammenbringen?
Wir machten erst einmal den Test: Alle Mann ab in den Auslauf. Die Hunde waren begeistert: Sie bekamen Besuch, konnten jemanden freudig begrüßen, bekamen Aufmerksamkeit. Die Fremde wurde ausgelassen begrüßt und liebevoll angesprungen. Auch unser kleiner Rabauke ließ sich von so viel Enthusiasmus um ihn herum anstecken und begrüßte sie kurz aber sehr begeistert mit "Küsschen geben".
Danach ein kleiner Gassi - Geh - Versuch. Oh oh, das mit Geschirr und Leine anlegen war ja nicht so toll für ihn, aber, da stand er nun, zitternd in der Deele, was passiert mit mir? Nach kurzer Zeit schafften die beiden es, ein ganz gutes Resultat zu erzielen. Sie gingen "spazieren". Ja, man musste Slough gut zureden, sehr geduldig und doch konsequent das Mitkommen von ihm verlangen, aber dann traute er sich.
Drei Tage später war Frauchen wieder zu Besuch, diesmal alleine, ohne moralische Unterstützung. Sie musste herausfinden: Ist das der Richtige für mich? Können wir den Alltag, wo Termine eingehalten werden müssen, es manchmal schnell gehen muss und man wahrhaft keine Zeit hat, mit einem sich wie wild gebärdenden Hund gelassen die Morgenrunde zu machen, können wir diesen Alltag schaffen?
Ein Wunder: Sloughi ging mit ihr super an der Leine, ruhig und gesittet, es war toll! Der nächste Test: Autofahren und nur zu zweit woanders spazieren gehen... Auch da verhielt er sich super. Ja, die Entscheidung fiel: Slough durfte mit, allerdings erst eine knappe Woche später, weil zuhause im Garten erst einmal alles ausbruchsicher und windhundgemäß vorbereitet werden musste. Und Slough hatte sehr starke Fluchttendenzen!
Machen Sie sich keine falschen Vorstellungen! Auch wenn hier alles schon recht gut klappte, die beiden mussten im neuen Zuhause erst einmal zusammenfinden und sich kennenlernen. Und das gestaltete sich wirklich sehr schwierig. Trotz seiner Neugierde und seiner Lernfähigkeit war Slough wirklich nicht einfach. Frauchen kostete es unendlich viel Mühe und extreme Nerven, den Umgang mit ihm zu erlernen, seine Probleme zu erkennen und daran zu arbeiten, und ihn an die Leine zu gewöhnen. Für jemanden, der Hunde kennt und mit ihnen ganz selbstverständlich umgeht, mag das merkwürdig klingen, aber hier mussten die beiden erst einmal eine Basis finden. Es ging nur mit ausprobieren, motivieren, Ruhe und Geduld bewahren...
An einem Mittwoch schnappte Slough nach seinem Frauchen (eigentlich nur in die Richtung, ohne sie zu berühren, aber als Hinweis: Mach das nicht mit mir!), als sie ihn zum 1000sten Mal an die Leine nahm, und ihn bewegen wollte, zum Gassi gehen von seinem Platz aufzustehen. Da brachen alte Traumata in ihr hoch... Die Angst, gebissen zu werden... Es stand auf Messers Schneide: Wird das noch klappen?
Slough war ansonsten schon recht zugänglich, Leckerchen nahm er von Frauchen von Anfang an immer gerne, sie war die erste, bei der er das tat. Auch rannte er nicht mehr jedes Mal panikartig davon, wenn er andere Menschen sah. Draußen zu sein oder spazieren zu gehen (wenn man das Anlein- und Aufstehproblem irgendwie gelöst hatte), das klappte schon ganz gut, Slough schrie auch nicht mehr vor Angst, wenn er andere Hunde sah, sprang in die Leine oder rannte davon, sondern hatte schon den einen oder anderen Hundefreund, mit dem er toben konnte...
Frauchen fragte ihre Hundetrainerin, mit der sie seit zwei Wochen arbeitete, um Rat. Der Versuch: Leine anlegen (Slough musste zu der Zeit dauerhaft sein Geschirr tragen, denn ihm das jedes Mal umzulegen hätte nicht geklappt!), ein Leckerchen geben, loben, Leine wieder ab. Das wurde immer wieder wiederholt, mehrmals am Tag. Wichtig dabei: Der Hund musste danach nicht aufstehen es wurde nichts von ihm verlangt, außer sich die Leine anlegen zu lassen und sich dafür belohnen zu lassen. Der nächste Schritt: Ihn nach dem Leine anlegen zu bewegen, aufzustehen. Beim leisesten Anzeichen von mitkommen (natürlich unter Zuhilfenahme von Leckerchen) wurde er reichlich belohnt und gelobt. Natürlich wurde auch das immer wieder geübt...
Am Samstag drauf, also 2,5 Tage später, als Frauchen frühmorgens das Wohnzimmer mit der Leine betrat, stand Slough auf, lief ihr entgegen, kam direkt zu ihr und ließ sich die Leine anlegen, und ging mit ihr freudig spazieren...
Von da an war das gemeinsame Leben nur noch wundervoll. Beide waren überglücklich, endlich war auch das letzte Eis gebrochen, es war Vertrauen da! Zwischen beiden entwickelte sich eine sehr tiefe Beziehung, man kann schon von gegenseitiger Liebe sprechen. Für sie tat er (fast) alles, er gewöhnte sich daran, fremde Menschen, auch Männer, vor denen er immer besondere Angst gehabt hatte, auf Spaziergängen zu treffen, begrüßte jeden freundlich, kam in Kontakt mit anderen Hunden, kam auf Rufen beim Freilauf in sicherem Gelände zu ihr... Er wurde mit ihr ein ganz umgänglicher, lieber, freundlicher, fröhlicher, glücklicher und bildschöner Hund!
Als ich nach drei Monaten beiden meinen Besuch abstattete, konnte ich die Veränderung in Sloughs Wesen ganz deutlich feststellen. Es war wirklich schön mit anzusehen, wie beide aufeinander eingespielt waren. Er lag in seinem Körbchen, ließ sich von mir schmusen und streicheln... Das war nicht mehr der Hund, den wir vermittelt hatten!
Später kam noch ein zweiter Hund hinzu, durch den Slough wiederum eine Menge lernte. Man kann wirklich feststellen, dass gerade für ängstliche oder unsichere Hunde ein Hundefreund die beste Medizin ist. Durch den anderen Hund bekommen sie neue Verhaltensmöglichkeiten vorgelebt, lernen, dass Menschen nicht immer böse sind, und dass man schon einmal etwas riskieren kann: Vertrauen!
Deshalb: Trauen auch Sie sich und holen Sie sich ein solches Tier ins Haus! Lernen Sie die unvorstellbare Anpassungsfähigkeit und Lernfähigkeit dieser edlen Geschöpfe kennen. Verdienen Sie sich ihre Liebe und Freundschaft. Eine größere Belohnung kann es nicht geben!
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